NEW LEADERSHIP: Das Stressempfinden hat sich verstärkt
"Entspann Dich, Deutschland"
Die Corona Pandemie hat die Arbeitskraft und die Seele der Menschen belastet. Dies haben wir als Anlass genommen, zu sensibilisieren und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dass sich die Deutschen zunehmend gestresst fühlen, bestätigt die Umfrage „Entspann Dich, Deutschland!“ der Techniker Krankenkasse in 2021. Diese Aussagen lassen uns natürlich aufhorchen. Sie auch?
Durch die Coronapandemie wurde das Stressempfinden noch einmal verstärkt. „Das Leben seit Beginn der Pandemie sei stressiger geworden.“ sagen ca. die Hälfte der Befragten der o. g. Studie. Die Auswirkung auf Leistungsfähigkeit und Gesundheit durch Dauerstress sind hinreichend bekannt und Mediziner beobachten steigende Zahlen psychischer Erkrankungen.
Auch wenn viele Menschen das C-Wort schon nicht mehr hören können, so ist es immer noch omnipräsent und bestimmt einen Großteil unseres Alltags. Wie stark die Pandemie unsere Arbeitswelt verändert, konnten sich wahrscheinlich nur ganz wenige vorstellen. Was vor zwei Jahren noch völlig utopisch schien, ist heute das #new normal. Es hat auch viele positive Veränderungen mit sich gebracht. „Arbeit und Familie lassen sich in 2021 besser miteinander vereinbaren als in 2016.“ so die Aussage der Befragten. Für die psychische Gesundheit ist es gleichzeitig Risiko und Chance.
Die meisten Pendler freuen sich nicht mehr im Stau zu stehen. Die Geschäftsreisenden wählen sich morgens ins Meeting ein – ganz ohne lange Anreise. Viele MitarbeiterInnen berichten, dass sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen können und genießen es, sich intensiver um ihre Kinder kümmern zu können. Diese Errungenschaften wollen die wenigsten wieder aufgeben.
Gleichzeitig zeigt sich, dass ein Viertel der Deutschen häufig gestresst ist. In 2013 war es nur jede fünfte Person. Dabei fühlen sich Frauen mehr gestresst als Männer und der „extreme Stress“ hat bei Frauen deutlich zugenommen. Aber Achtung: Der Stress steigt seit 2013 bei Männern stärker an als bei Frauen. Männer holen demnach beim Stresserleben auf.
Was sind die Haupt-Stressoren?
Die drei größten Stressursachen in 2021 sind „Arbeit und hohe Ansprüche an sich selbst“ und „Erkrankungen einer nahestehenden Person“. Letzteres hat im Kontext der Coronapandemie eine besondere Bedeutung. Danach folgen Konflikte oder Probleme im Privatleben, ständige Erreichbarkeit, zu viele Termine/Verpflichtungen in der Freizeit.
Warum Frauen mehr Stress empfinden, kann daran liegen, dass sie insgesamt höhere Ansprüche an sich selbst stellen, mehr Konflikte erleben und mehr Stress bei der Kinderbetreuung haben als Männer.
Die meisten Menschen bewältigen die Stress-Situationen mit der Devise „Durchhalten“. Dem folgen Rückzug und die wenigsten Menschen gehen in den Kampf-Modus. Übrigens: in den Stressbewältigungsstrategien unterscheiden sich Männer nicht von Frauen. Die Meinung, dass Männer eher kämpfen, ist somit falsch.
Was belastet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am meisten?
Dies sind die Hauptbelastungen am Arbeitsplatz (in absteigender Reihenfolge):
- zu viel Arbeit
- Termindruck, Hetze
- Unterbrechungen und Störungen
- Informationsüberflutung, z. B. durch interne Anweisungen oder E−Mails
- schlechte Arbeitsplatzbedingungen wie hohe Lärmbelastung, Hitze oder Kälte, schlechte Beleuchtung
- ungenaue Anweisungen und Vorgaben
- nicht optimale Ergonomie im Homeoffice
- zu wenig Handlungsspielraum
- unzureichende Trennung von Berufs− und Privatleben im Homeoffice
Die psychischen Belastungen haben sich durch Arbeit im Homeoffice deutlich erhöht. 60 % der Befragten gaben an, dass sie sich in den letzten zwölf Monaten einem Burnout nahe fühlten. So toll das Homeoffice ist, gleichzeitig steigt durch die zusätzliche Corona-Belastung das Risiko eines Burnouts an. Und dies bei leicht steigenden Zahlen der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Burnout seit 2017 (DAK Psychreport 2020).
Verändertes Verhalten bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erkennen
Rechtzeitiges Erkennen und Eingreifen hilft größere Krisen vorzubeugen, schwerwiegende Erkrankungen können verhindert werden und Fehlzeiten werden vermindert.
Achten Sie vor allem darauf, wenn sich bei einem/r MitarbeiterIn das Verhalten verändert. Dies sind oft erste Warnzeichen, dass hohe psychische Belastungen vorhanden sind. Suchen Sie das Vier-Augen-Gespräch – auch wenn es “nur” online geht. Zu warten, bis Sie die Person physisch wieder sehen, kann einfach zu lange sein, um frühzeitig gegenzusteuern.
Stress und Gesundheit hängen eng zusammen. Denn quer durch alle Beschwerden, von der Erschöpfung über Rückenleiden bis hin zu Erkältungskrankheiten, geht es den „häufig Gestressten“ signifikant gesundheitlich schlechter als den „selten Gestressten“. Außerdem sind Stress und seelische Beschwerden eng verbunden. So verfünffachen sich Depressionen, wenn aus seltenem Stress häufiger Stress wird. Und je niedriger das Stressempfinden ist, desto geringer sind die seelischen Beschwerden. Also, es lohnt sich für jedes Unternehmen, in Stress-Prävention zu investieren.
Auch Führungskräfte leiden darunter
Diese Belastungen setzen auch vielen Führungskräften zu. Remote Führen bringt wie im Brennglas hervor, was funktioniert – und noch mehr – was auch vorher schon im Argen lag.
Oft fällt Wertschätzung für MitarbeiterInnen hinten runter. Vieles was vorher „nebenbei“ in der Kaffeeküche oder zwischen der Tür besprochen wurde, braucht jetzt einen offiziellen Termin. Führungskräfte aufgehorcht: „Gerade einmal 13 Prozent fühlen sich von ihrem Unternehmen gehört und wertgeschätzt. Dabei gehört die Wertschätzung zu einer der wichtigsten Dinge einer Führungskraft. Denn nur so arbeiten Mitarbeiter gerne und fühlen sich motiviert. Positiver Nebeneffekt: Eine wertschätzende Arbeitsweise wirkt sich positiv auf die Arbeitsatmosphäre aus.“ so die TK-Studie.
Ein wirksames Stressmanagement jedes Einzelnen und Maßnahmen auf der organisationalen Ebene sind essenziell.
Was kann jede Führungskraft für sich tun?
Wirksame Bewältigungsstrategien waren schon vor Corona wichtig. Seit Beginn der Pandemie befinden wir uns in einem permanenten „Resilienz-Training“. Hier ein paar Tipps, um seine Ressourcen weiter zu stärken.
- Sich selbst gut kennen und Eigenverantwortung übernehmen. Dies stärkt die Selbstführung ebenso wie die Selbstwirksamkeit.
- Auf die eigenen Bedürfnisse achten. Eine gute Selbstfürsorge ist wesentlich, um auch für Andere da sein zu können.
- Grenzen ziehen. Nach außen kommunizieren, wenn Grenzen überschritten werden.
- Ein up-date im Denken vornehmen. „Alte“ Überzeugungen, die innerlich blockieren in konstruktiv lösungsorientiertes Denken verändern.
- Sich realistische Ziele setzen und auf sinnvolles Tun achten. Erreichbarkeit und Sinnhaftigkeit sind zwei starke Motivatoren.
- Soziale Beziehungen pflegen und gute Netzwerke aufbauen. Dies stärkt nicht nur in Krisenzeiten das Gefühl der Verbundenheit.
- Wertschätzung für sich selbst und für Andere ausdrücken. Dabei offen für Unterschiede sein. Gerade verschiedene Charaktere im Team bringen top Performance.
- Reflexion kommt vor Aktion. Bevor Sie in einer Übersprungshandlung impulsiv reagieren, einen Moment inne halten und sich von der Situation distanzieren.
Was kann die Organisation tun?
Maßnahmen zum Stressabbau sind wichtig. Und gleichzeitig verpuffen sie schnell, wenn die Arbeitsbedingungen nicht mit einbezogen werden. Was hilft der Zuschuss zum Fitnessstudio, eine bewegte Pause oder ein Yogakurs, wenn am Arbeitsplatz ständige Störungen fokussiertes Arbeiten verhindern oder die Arbeitsmenge und der Termindruck ständig auf Maximalkraft fahren.
- Fördern Sie eine gesunde Unternehmenskultur. Und dies meint nicht „ein paar Werte in den Fluren aufhängen“. Kultur entsteht, indem Werte durch erlebbares Verhalten sichtbar gemacht werden.
- Geben Sie angemessene Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Dadurch wird die Selbstverantwortung gestärkt.
- Achten Sie auf stärkenorientierte Führung und Verteilung der Aufgaben. Wer seine Stärken einbringen kann, ist motivierter und produktiver.
- Geben Sie konstruktives Feedback und entwickeln eine gute Fehlerkultur. Feedback gibt Orientierung und Fehler sind Helfer auf dem Weg zum Erfolg.
- Fördern Sie Führungskräfteentwicklungs- und Gesundheitsprogramme. Positiv Leadership und gesunde Führung sind gut investiert.
- Machen Sie Erfolge sichtbar. Gemeinsam feiern ist in Zeiten von mobilem Arbeiten und wenig physischer Präsenz noch wichtiger geworden.
- Ermöglichen Sie positive Emotionen. Fördern Sie dabei individuelles Engagement und schaffen Sie tragfähige Beziehungen.
- Investieren Sie in Anerkennung und Wertschätzung. Dies sind unendliche Ressourcen. Nirgends werden sie weniger, wenn wir sie geben.
Ein positiver Ausblick: Beruflicher Stress spornt viele Menschen an
Stress ist nicht nur negativ. Ein gewisses Maß an Stress macht uns leistungsfähig und lässt uns über uns hinauswachsen. Es geht darum, das passende Maß an Herausforderung und zur Verfügung stehende Bewältigungsstrategien zu haben. Dazu gehört auch soziale Unterstützung. Allein das Wissen, dass meine Führungskraft oder meine KollegInnen mich unterstützen oder ich externe Hilfe bekomme, reduziert oft schon das Stresserleben.
Leaderinnen und Leader sind Vorbilder und GestalterInnen
Führungskräfte haben eine doppelte Rolle: Sie sind durch ihr eigenes Verhalten Vorbild und sie gestalten durch ihren Führungsstil die Arbeitsbedingungen ihrer MitarbeiterInnen. Das können sie tun:
- Vorbild sein & gesunde Arbeitsbedingungen fördern
- als Führungskraft die persönliche Balance im Auge behalten
- die eigene innere Haltung überprüfen
- notwendige Unterstützung für das eigene Handeln einholen
- persönliche Ressourcen und soziale Kraftquellen stärken
- Probleme wahrnehmen und ansprechen
- klare Position beziehen und konsequent handeln
- den Stresspegel im Team senken
- einen Beitrag zur Enttabuisierung leisten – mentale Belastungen besprechbar machen
Einen Schnell-Check, um zu erkennen, wie belastet MitarbeiterInnen sind, gibt es im Download.
Viel Erfolg beim Stressabbau!
Renate Freisler
Quellen: Techniker Krankenkasse „Entspann dich, Deutschland!“ und DAK „Psychreport 2020“